Science Fiction Prototyping – Diskurse über verantwortungsvolle Innovationen auslösen

Von den Romanen von Jules Verne bis zur Netflix-Serie Black Mirror, Zukunftsbilder einer technologisierten Welt haben eine lange Tradition und grosse Faszination. Je mächtiger künstliche Intelligenz wird, desto realistischer und für viele auch beängstigender werden diese Visionen. Es gibt also bereits Darstellungen, wie unsere digitale Zukunft sein könnte, sein soll oder keinesfalls sein darf. Wir hören diese warnenden oder euphorischen Stimmen und sie lösen Reaktionen aus. Aber wie stellen wir uns einen Alltag in einer hochtechnologisierten Zukunft vor? Wie erlebe ich eine medizinische Diagnose, die nicht mehr von einem Menschen sondern von einer Maschine gestellt und übermittelt wird? Wie verläuft ein Bewerbungsgespräch, in dem eine maschinelle Intelligenz mich beurteilt? Wir beobachten sowohl in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen als auch in der breiten Bevölkerung ein grosses Bedürfnis, über solche Szenarien zu diskutieren, aber ein konstruktiver Diskurs fällt schwer, wenn die Auslöser der Zukunftsbilder in unseren Köpfen und die darin verpackten Botschaften so unterschiedlich und abstrakt sind. Wir sind jedoch fest davon überzeugt, dass die aktive Gestaltung unserer digitalen Zukunft einen breiten Diskurs voraussetzt.

Immersives Science Fiction (SciFi) Prototyping nutzt das Potenzial von immersiver Virtual Reality, um vage Folgen technologischer Innovationen in narrativen, multilinearen Zukunftsszenarien lebendig werden zu lassen. Das Zielpublikum wird gezwungen, die Position eines emotional distanzierten Beobachters zu verlassen und Entscheidungen über Technologien in einem fiktiven Alltag zu treffen. Die Erfahrung regt einen lebendigen Diskurs an und befähigt das Publikum, Forderungen, Ideen und Bedenken zu formulieren. 

SciFi Prototyping als Auslöser eines öffentlichen Diskurses über unsere technologisierte Zukunft

 

Seit 2017 kooperieren das Institut für Wirtschaftsinformatik, das Departement Angewandte Linguistik der ZHAW und die Fachrichtung Knowledge Visualization der ZHdK zum Thema Digital Futures.  2019 wurde ein erster VR Prototyp implementiert, der mittels immersiver Virtual Reality ein Szenario aus der Welt des Personalwesens erlebbar macht. Weitere mulitlineare Szenarien in Form von multilinearen Geschichten und immersiven VR Szenarien sind im Rahmen von studentischen Arbeiten entstanden. Diese werden laufend im Blog digitalfutures.ch veröffentlicht. Um die Erstellung der Szenarien zu flexibilisieren wurde im Rahmen dieser Arbeiten ein SciFi-Prototyping-Generator entwickelt. Dieses Instrument ermöglicht es, mit der OpenSource Software Twinery erstellte multlineare Narrative in die VR-Entwicklungsumgebung Unity zu importieren und in immersiv erlebte VR-Szenarien umzuwandeln. Handlung und Dialoge sind somit unabhängig von der aufwendigen visuellen Ausgestaltung und können von Laien geschrieben und flexibel angepasst werden. 

 

Elemente des Immersiven SciFi Prototyping

Das Science-Fiction-Prototyping begann innerhalb der Intel Corporation im Jahr 2010. Die Idee von Intels Futurist B.D. Johnson war es, Science Fiction als Input im Technologieentwicklungsprozess zu nutzen, um Ingenieure zu ermutigen, in einer humanistischeren Weise über ihre technologischen Entwicklungen nachzudenken [1].

Unser Ansatz des immersiven SciFi Prototyping baut auf den Prinzipien und klar definierten Prozessen des Science Fiction Prototyping auf, erweitert es um drei neue Aspekte:

  1. Multilineares Storytellung und Interaktivität, um den Lesenden / Betrachtenden Wahlmöglichkeiten zu ermöglichen und das Denken in Alternativen zu fördern.
  2. Immersive Virtual Reality , um das Publikum emotional zu involvieren und die Szenarien aus verschiedenen Perspektiven zu erleben.
  3. Einsatz eines Frameworks und einer Infrastruktur (= SciFi-Prototyping-Generator) zur replizierbaren und effizienten Umsetzung von SciFi Prototypen in VR

[1] Johnson, B. D. (2011). Science Fiction Prototyping: Designing the Future with Science Fiction. Synthesis Lectures on Computer Science3(1), 1–190. https://doi.org/10.2200/S00336ED1V01Y201102CSL003

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